Wir Intros neigen gerne dazu zu glauben, dass uns etwas fehlt (nämlich eine ordentliche Portion extravertierte Eigenschaften). Wir fühlen uns weniger interessant, weniger erfolgreich als alle Menschen um uns herum.
Damit muss endlich Schluss sein.
Doch wie kannst du dein Selbstbild ändern?
Wenn wir wenig Eindruck hinterlassen
Vor einiger Zeit war ich bei einem beruflichen Vortrag. Es war keine große Veranstaltung, nur etwa 20 Zuhörer hatten sich für einen Nachmittag zusammengefunden. Ich kannte keinen der anderen Teilnehmer und war auch das selbst das erste Mal an diesem Veranstaltungsort. Wir hörten uns die Ausführungen des Referenten an, danach gab es eine Diskussions- und Fragerunde.
Obwohl ich mich unwohl dabei fühlte, vor den fremden Leuten laut zu sprechen, das Thema aber sehr interessant fand, stellte ich auch zwei Fragen an den Referenten und verfolgte ansonsten konzentriert die Diskussion der anderen Teilnehmer. Am Ende verabschiedete ich mich, wie die meisten anderen auch, und verließ das Gebäude.
Wenige Wochen später traf ich einen der Teilnehmer bei einer anderen Gelegenheit wieder. Ich erkannte ihn sofort und konnte mich noch an die Meinung erinnern, die er bei der Diskussionsrunde vertreten hatte.
Bei diesen Netzwerktreffen bin ich immer froh, wenn ich jemanden sehe, bei dem mir sofort ein Gesprächsthema einfällt. Ich finde nichts unangenehmer, als mit einem Getränk in der Hand neben jemandem zu stehen, und nicht zu wissen, was man sagen soll. Kennst du das? (Noch schlimmer ist es, wenn derjenige sich nach einem kurzen peinlichen Schweigen entschuldigt und weggeht, um sich einen anderen Gesprächspartner zu suchen. Das stürzt mich jedes Mal in tiefe Selbstzweifel).
Ich bin also zu diesem Menschen gegangen und habe ihn begrüßt. Er schaute mich an, als hätte er mich noch nie gesehen. Schnell sagte ich, dass wir neulich auf demselben Vortrag waren. Er tat zum Glück nicht so, als würde er mich jetzt erkennen, sondern sagte ganz offen, dass er sich gar nicht an mich erinnern könne.
Dabei hatte ich mich doch zweimal zu Wort gemeldet.
Dieses Gefühl, so wenig Eindruck bei anderen Menschen zu hinterlassen, hatte ich nicht zum ersten Mal. Wir Introvertierten haben ein feines Gespür für andere, besonders wenn wir hochsensibel sind. Wir können fühlen, wie wir auf unser Gegenüber wirken, insbesondere wenn wir jemand Neues kennenlernen.
Mein Gefühl sagt mir oft, dass mein Gesprächspartner mich wenig interessant oder gar anziehend findet. Manche Blicke sagen mir deutlich, dass ich langweilig und uninteressant bin. Manchmal merke ich, dass sich diese Menschen nur aus Höflichkeit mit mir unterhalten und erleichtert sind, wenn jemand Drittes dazukommt, oder sie sich freundlich verabschieden können.
Es kommt sogar vor, dass ich in einem Raum mit mehreren Menschen von anderen gar nicht wahrgenommen werde, regelrecht unsichtbar bin.
Viele Jahre meines Lebens habe ich sehr unter der fehlenden Ausstrahlung gelitten. Ich habe mich oft wie in der letzten Reihe gefühlt, als langweiliges Anhängsel von meinen charismatischeren Freundinnen, unbeachtet und unsichtbar.
Nicht immer ist es so. Ich habe einige langjährige Freundinnen, die meine Art sehr schätzen. Meine Familie würde auch vehement abstreiten, dass ich keine Ausstrahlung hätte.
Trotzdem gab es zu viele Situationen, in denen ich mich genau so gefühlt habe. Die sehr an meinem Selbstbewusstsein geknabbert haben. Die mich an mir selbst haben zweifeln lassen.
Der Versuch, sich anzupassen
Um diesem Gefühl der Unsichtbarkeit zu entgehen, habe ich versucht, mich meinem Umfeld besser anzupassen. Ich habe Menschen beobachtet (DAS kann ich gut), wie sie mit anderen Menschen kommunizieren, wie sie ihre Körpersprache einsetzen, manchmal auch ihre Taktiken im Umgang mit Fremden. Ich habe versucht, meine Beobachtungen für mich zu übernehmen.
Es ist nicht so, dass ich es versucht habe und dann aber nicht die gleiche Wirkung wie meine Freunde erzielt habe.
Nein, ich habe es gar nicht erst geschafft, sie zu kopieren. Es ging einfach nicht! Ich konnte nicht so reden wie sie, mich nicht so verhalten. Es fühlte ich für mich so falsch an, dass ich es nicht umsetzen konnte.
Das hat mich dann in noch tiefere Selbstzweifel gestürzt. Die Erkenntnis, dass man nur so sein kann wie man nun einmal ist, aber dieses Selbst unglücklich macht, kann eine Krise auslösen, aus der man es irgendwann nicht mehr alleine herausschafft.
Für mich kam ein Hinnehmen des Mich-schlecht-Fühlens und Anders-sein-Wollens nicht in Frage. Ich sagte mir, okay, du hast jetzt zwei Möglichkeiten:
Entweder du arbeitest weiter hart an der Verbesserung deiner Ausstrahlung. Aber das schaffst du nicht alleine, und das Ergebnis ist ungewiss.
Oder du bleibst wie du bist und machst aus deiner Art, wie du auf andere wirkst, eine Stärke. Damit du nicht mehr darunter leiden musst.
Ich entschied mich für die zweite Variante.
Lebe deine introvertierten Stärken
Das war der Beginn meiner Reise in die Welt der Introvertierten. Alles, was ich bis dahin über Introvertierte wusste, war allgemeines Halbwissen: Wir sind ruhige Zeitgenossen, reden wenig und sind nicht sehr gesellig.
Aber das reichte mir nicht. Ich begann zu recherchieren, zu lesen und wollte wissen, wie andere Introvertierte mit ihren Persönlichkeitsmerkmalen umgehen. Warum wir so sind, wie wir sind. Dabei stieß ich auf einige Zeitschriften, die Artikel über stille Menschen veröffentlichten, Webseiten von und für Introvertierte, und Bücher, die mir die Augen öffneten.
Besonders hilfreich waren für mich die Bücher von Susan Cain (Still) und Sylvia Löhken. Sie schreiben beide über die Stärken von introvertierten Menschen, und haben mich damit aus meinem Sumpf von Selbstzweifeln ein ganzes Stück herausgezogen.
Ich recherchierte weiter, und mit jedem Wort, dass ich über introvertierte Stärken las, wuchs mein Selbstvertrauen. Es wächst immer noch, zum Beispiel gerade jetzt, wo ich diesen Artikel schreibe. Inzwischen bin ich stolz darauf, introvertiert zu sein, und möchte dies im Team Introvertiert an dich weitergeben.
Sylvia Löhken hat in ihrem Buch Leise Menschen – starke Wirkung zehn Stärken introvertierter Personen ausführlich beschrieben. Diese Potenziale hat jeder introvertierte Mensch in sich. Manche erkennst du sofort und ganz deutlich, andere sind bei dir vielleicht weniger stark ausgeprägt. Das heißt natürlich nicht, dass extravertierte Menschen diese Stärken nicht haben können. Aber sie sind in der Regel bei Introvertierten häufiger zu finden und stärker ausgeprägt.
Ich möchte dir diese zehn Stärken von Introvertierten gerne vorstellen und dir zeigen, wie ich sie interpretiere und erfahren habe.
Bist du bereit, Selbstzweifel hinter dir zu lassen und stolz auf deine introvertierte Persönlichkeit zu sein?

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10 Stärken, die Introvertierte zu ganz besonderen Menschen machen
1. Vorsicht
Du handelst bedacht und sprichst überlegt. Du vermeidest risikoreiche Handlungen und fokussierst dich auf deine Beobachtungen und die Schlüsse, die du daraus ziehst. Wo Extros schnell mal impulsiv oder gar voreilig reagieren, zeigst du ihnen auf, was sie vielleicht übersehen haben.
Für unsere Vorfahren war Vorsicht eine entscheidende Überlebensstrategie. Heute müssen wir z.B. vorsichtig sein, wenn es um Informationen geht. Ein kritisches Analysieren der heutigen Informationsflut kann uns zu besonneneren Entscheidungen führen.
Durch überlegtes, vorsichtiges Verhalten kannst du deinem Umfeld Sicherheit vermitteln und ihnen das Gefühl geben, dass du sie ernst nimmst.
Lass die Vorsicht nur nicht in zu große Zaghaftigkeit ausufern. Du wirst wissen, wann du genug Informationen hast, um selbstbewusste Entscheidungen treffen zu können.
2. Substanz
Dein Gehirn arbeitet intensiver, aber dadurch auch etwas langsamer als das von Extros. Gedanken und Überlegungen ziehen längere Schleifen durch deine Nervenbahnen, alles will wohl überlegt und durchdacht werden. Spontane Antworten auf Fragen an dich fallen dir aus diesem Grund schwer, und du äußerst deine Meinung zu einem Thema lieber erst nach einer gewissen Zeit des Nachdenkens.
Während Extros sich gerne viel und schnell unterhalten, redest du weniger, aber dafür hat das, was du zu sagen hast, Qualität und Substanz. Darum liebst du es auch, tiefsinnige Gespräche zu einem interessanten Thema zu führen und langweilst dich bei oberflächlichem Small Talk.
Ich kann es überhaupt nicht leiden, wenn man mich zu schnellen Antworten drängt, oder mein Gesprächspartner ungeduldig wird und selbst wieder anfängt zu sprechen, ohne abzuwarten, was ich zu sagen habe. Das setzt mich in Gesprächen oft unter Druck und ich sage manchmal irgendetwas, weil ich das Gefühl habe, sonst nicht mehr zu Wort zu kommen. Aber dann kann ich mich nicht so ausdrücken, wie ich es mit etwas mehr Ruhe tun würde.
Wenn du es schaffst, deine Gedanken und Sätze im Kopf zu sortieren und dann eine fundierte Aussage machen kannst, weckst du damit schnell das Interesse deines Gesprächspartners. Er merkt, dass das, was du zu sagen hast, Qualität hat. Es sich lohnt, dir zuzuhören. Intros sind Menschen mit Tiefgang!
3. Konzentration
Wenn du ein spannendes oder interessantes Buch liest, einem Hobby nachgehst oder arbeitest, kannst du tief in deiner Beschäftigung versinken und deine Aufmerksamkeit nur auf das richten, was du gerade tust. Es hat eine große Strahlkraft auf andere Menschen, wenn man voll bei der Sache ist. (Das hat was mit deiner inneren Stille zu tun – hier kannst du sie kennenlernen.)
Da in deinem Kopf ständig Hintergrundaktivitäten laufen, die mit dem Verarbeiten und Analysieren von äußeren Reizen beschäftigt sind, tut es dir gut, alles Drumherum auszublenden und dich ganz auf eine Sache zu konzentrieren. So, wie deine Gehirnarbeit angelegt ist, empfindest du diese intensive Konzentration als angenehm und anregend.
Konzentration steigert deine Produktivität, die Qualität deiner Arbeit und sichert dir die Achtung deiner Mitmenschen.
Weiter geht es in Teil 2 dieses Artikels (inkl. Infografik)!
Dort lernst du die Intro-Stärken Nr. 4 bis 10 kennen. Lies unbedingt weiter – alle zehn Stärken sind die Basis für ein gesundes introvertiertes Selbstbewusstsein! Deine zehn Stärken sind dort auch noch einmal in einer Infografik zusammengefasst.
Alles Liebe
Ulli
Ich habe die erste Variante gewählt – mit dem Willen zur Veränderung.
Zwei Metamorphosen in einem längeren Leben. Zuerst der Klassenkasper in der Schule.
Mit der Pubertät dann 180 Grad-Kehrtwende: Bewusste Zurückhaltung auf der Basis von Unsicherheit. Dann ab 25 die langsame Öffnung. Sprechen mit weniger Äääähs,
weniger Angst vor Fehlern beim Reden, aber auch bei Fremdsprachen.
Klarer beim Smalltalk – wer fragt führt…. Heute weiß ich, dass man das Lernen kann.
Was einem zunächst nicht so leicht, vllt. sogar gekünstelt erscheint, wird zur Routine.
Es ist wie beim Eislaufen: Zuerst maximal Angst-Adrenalin wegen Sturzgefahr, später dann mehr Sicherheit und schließlich sogar Lust dabei.
Also: Intro ist sehr OK, muss aber kein gottgegebener Dauerzustand sein.
Falls man darunter leidet (was nicht sein muss): Jeder kann sich entwickeln….jedenfalls meine Erfahrung.
Lena
Hallo Ulli,
das sehe ich auch so – Entwicklung ist immer möglich und auch wichtig, solange man bei sich selbst bleibt. Es muss ja nicht zwingend Entwicklung hin zu mehr Extraversion sein, sondern kann auch die persönlichen Stärken umfassen, die man gerade als introvertierter Mensch mitbringt. Dann wirkt man vielleicht gar nicht mehr so introvertiert, weil man nicht mehr dem Bild entspricht, dass die meisten Menschen mit Introversion verbinden.
Alles Liebe
Lena
birgit
Liebe Lena,
was du hier schilderst, hat meiner Meinung nach nicht unbedingt etwas mit Introvertiertheit zu tun, sondern mit der Einstellung von dir zu dem betreffenden Menschen. Ich habe irgendwann einmal herausgefunden, dass, wenn ich einen Menschen sympathisch finde oder ihn mag, ich auch auf ihn zugehen und mit ihm reden kann. Als mir das klar wurde, dass Interesse und Sympathie immer auf Gegenseitigkeit beruhen und vor allem von mir ausgestrahlt werden müssen, habe ich das Ansprechen von sympathischen Menschen regelrecht geübt. Ich habe mir bei einer Party, auf Veranstaltung oder auf der Arbeit immer mal eine Person ausgesucht, die ich vom Wesen her sehr angenehm und sympathisch fand und diese dann einfach angesprochen. Und siehe da: Es hat funktioniert. Am Anfang waren es nur kurze Sätzchen, mit denen ich ins Gespräch kam, aber mittlerweile ist es viel besser.
Umgekehrt lohnt es sich nicht unbedingt, mit unangenehmen oder sogenannten „schwierigen“ Menschen ins Gespräch kommen zu wollen. Das grenzt aus meiner Sicht beinahe schon an Heuchelei.
Also sollte man ruhig dazu stehen, dass einen manche Menschen eben nicht interessieren oder in einem bestimmten Moment nicht von Interesse sind, da man mit sich zu tun hast.
Liebe Grüße
Birgit
Lena
Liebe Birgit,
ich stimme dir zu, dass man ruhig ein wenig „wählerisch“ sein darf, wenn es um Bekanntschaften oder Freundschaften geht. Gerade für Introvertierte geht Qualität ganz klar vor Quantität.
Es ist toll, dass du für dich herausgefunden hast, ob und wie du mit Menschen ins Gespräch kommen willst – eine Stärke von dir!
In diesem Artikel (und vielen weiteren) über die Stärken von Introvertierten ist es mir wichtig zu zeigen, dass viele tpyische Eigenschaften von introvertierten Menschen (auch wenn es im Einzelnen natürlich zahllose individuelle Feinheiten und Unterschiede gibt), tatsächlich Stärken sein können. Oft empfindet man selbst eine Eigenschaft an sich als selbstverständlich, weil sie einfach da ist und leicht fällt. Man muss sich erst einmal bewusst machen, dass andere Menschen über diese Eigenschaft nicht oder deutlich weniger ausgeprägt verfügen, um sie als eigene persönliche Stärke zu erkennen. Da viele Introvertierte eher an sich zweifeln als ein stabiles Selbstwertgefühl zu haben, finde ich es so wichtig, auf die besonderen Intro-Stärken hinzuweisen – aber auch die Schwierigkeiten zu benennen, denen wir im Alltag oft begegnen.
Ich hoffe, ich kann ein wenig dazu beitragen, dass introvertierte Menschen ihren Wert für sich, für andere und sogar für die Gesellschaft insgesamt erkennen.
Liebe Grüße
Lena