Als introvertierter Mensch kämpfst du vielleicht oft damit, dass du anderen gegenüber zurückhaltend bleibst, deine Meinung für dich behältst und insgesamt eine eher verschlossene als offene Ausstrahlung hast. Mir ging es früher oft so. Ich konnte spüren, wie andere Menschen, die mich noch nicht so gut kannten, meine Zurückhaltung skeptisch aufnahmen. Sie konnten mich nicht einschätzen oder machten sich ein falsches Bild von mir. Und wenn mich dann die Energie überkam, offen über mich zu reden, waren sie meist überrascht von dem, was ich plötzlich von mir zeigte. „So kenne ich dich ja gar nicht!“ Das habe ich schon des Öfteren hören dürfen – im positiven Sinne.
Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als Team Introvertiert „geboren“ wurde. Die ersten Texte waren geschrieben, die Internetseite gebaut – und dann musste ich auf den Online-Knopf drücken und damit von einem Moment zum anderen für die ganze Welt sichtbar werden mit meinen Gedanken, die ich zu Papier gebracht hatte. Fast hätte mich nicht getraut und im letzten Moment einen Rückzieher gemacht! Doch als nach einer Weile die ersten positiven Feedbacks kamen, wurde ich mutiger, gelassener und selbstbewusster, eigene Texte im Internet zu veröffentlichen und später sogar ein Buch herauszugeben.
Wie ich mich überwunden habe, meine Gedanken mit anderen zu teilen, darum geht es in diesem Artikel. Denn es gibt etwas, das uns unsere Angst überwinden lässt. Wir sollten aber zunächst unsere introvertierte Zurückhaltung besser verstehen.
Unsere introvertierte Zurückhaltung
Die „Deckung“, die wir mit unserer Verschlossenheit einnehmen, vermittelt uns einen Schutz vor Verletzbarkeit. Wir glauben, mehr Anerkennung zu finden, wenn wir nicht aus der Reihe tanzen. Wenn wir nicht zeigen, was wir wirklich denken, weil es vielleicht nicht dem entspricht, was der Meinungsführer sagt. Wenn wir dem entsprechen, was andere von uns erwarten. Wenn wir uns einfügen, um dazuzugehören.
Wir haben Angst davor, dass unser Ich, unsere Gedanken, Meinungen und Gefühle von den anderen nicht anerkannt werden. Oder sogar als falsch, dumm oder schlimmeres kritisiert zu werden. Wir haben Angst davor, vielleicht anders zu sein als die anderen. Und dann nicht richtig dazuzugehören.
Manchmal denken wir auch, dass die anderen unsere Meinung nicht verstehen würden. Manchmal verspüren wir kein Bedürfnis mitzureden, sondern fühlen uns wohl dabei, einfach zuzuhören und zu beobachten. Das finde ich völlig okay, vor allem, weil es ja gerade unserer introvertierten Persönlichkeit entspricht. Wir müssen nicht alles mit anderen teilen, wir behalten manches auch gerne für uns. Aber uns sollte auch klar sein, was diese Entscheidung für Auswirkungen auf die Beziehungen zu den Menschen in unserem Umfeld haben kann (nicht muss).
Egal, welche Gründe wir dafür finden, uns nicht zu zeigen: Wir lassen die anderen damit gewähren. Wir lassen ihre Meinung stehen, auch wenn wir ihr widersprechen würden. Wir überlassen es den anderen, Raum für sich einzunehmen. Wir akzeptieren, dass sie reden und wir still sind. Wir gestatten ihnen, ihre Bedürfnisse zu äußern oder ihnen nachzukommen.
Ahnst du, worauf ich hinaus will? Wenn wir uns zu oft zurücknehmen, dann überlassen wir die Gestaltung unserer Beziehungen (damit meine ich jede Art von zwischenmenschlichen Beziehungen, ob in der Familie, in der Partnerschaft, im Job usw.) den anderen. Indirekt bedeutet das, dass wir ihnen das Recht zugestehen, den Raum einzunehmen und zu gestalteten. Und unser eigenes Recht, dies ebenfalls zu tun, nicht wahrnehmen. Noch radikaler ausgedrückt: Wir werten uns selbst ab. Oder andersherum: Wir „lassen uns nicht dazu herab“, mit Menschen zu diskutieren, die uns nicht verstehen würden, die es nicht „wert sind“.
In manchen Situationen kann es sehr klug sein, nichts zu sagen. In anderen Situationen strahlen wir dann Schüchternheit oder – auf der anderen Seite – Arroganz aus. Nämlich genau dann, wenn wir aus unserer Angst, aus Bequemlichkeit oder Überheblichkeit heraus nicht offen sein wollen.
Verstehe mich bitte nicht falsch: Ich möchte unsere introvertierte Verschlossenheit nicht verurteilen. Ich bin selbst ein zurückhaltender, nur in bestimmten Situationen offener Mensch und fühle mich inzwischen sehr wohl damit. Ich wähle sehr genau aus, wem ich mich öffnen möchte und wem nicht. Ich halte es aber für wichtig zu verstehen, was dieses Verhalten bewirkt, und wie es sich auf unsere Ausstrahlung auswirkt. Und da ich selbst viele positive Erfahrungen damit gemacht habe, möchte ich dir gerne einen Weg zeigen, wie wir uns leichter öffnen können und unsere Angst oder Bequemlichkeit überwinden.
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Fair für beide Seiten
Wenn wir unsere Gedanken und Gefühle für uns behalten, geben wir unserem Gegenüber keine Chance, auf diese Gedanken und Gefühle zu reagieren. Er muss aus den Signalen, die unsere Körpersprache aussendet, Vermutungen anstellen – und kann dabei womöglich völlig falsch liegen. (Lies dazu auch gerne den Artikel „Die Stille von Introvertierten – und was sie alles bedeuten kann“. Hier zeige ich, welche Missverständnisse entstehen können, wenn Intros still sind.) Wir nehmen also in Kauf, dass Missverständnisse entstehen, die dann sogar zu gravierenden Konflikten führen können.
Offen über die eigenen Gedanken und Gefühle zu reden ist also fairer – für beide Seiten. Es schafft Klarheit darüber, wo du stehst, und auf diese Klarheit kann der andere dann wiederum aus seiner Perspektive heraus reagieren. Wenn du dein Gegenüber im unklaren Raum schweben und wilde Vermutungen anstellen lässt, dann übergibst du ihm damit die Verantwortung für die Situation – denn er muss entscheiden, welche seiner Vermutungen eventuell zutrifft und wie der dann darauf reagieren will. Offen zu sein heißt also auch, Verantwortung in einer Beziehung zu übernehmen!
Offen und klar die eigene Meinung zu vertreten, deine Wünsche zu äußern oder einfach nur ein paar Gedanken mit anderen zu teilen ist wichtiger, als wir Intros es uns manchmal zugestehen wollen. Wir nehmen gerne unsere zurückhaltende Art als Ausrede für uns selbst, um den Mut nicht aufbringen zu müssen, doch etwas zu sagen. Oder denkbarer Kritik aus dem Weg zu gehen. Oder uns in sicherer Stille zu verstecken.
Ich finde es okay, in vielen Situationen die stille Beobachterrolle beizubehalten. Manchmal gibt es auch einfach nichts Wichtiges, was ich zu sagen hätte. Aber oft bleibe ich still, weil es sich für mich bequemer und sicherer anfühlt, obwohl mich Gedanken beschäftigen, die ich für wichtig und mitteilenswert halte. In solchen Momenten ist es richtig, die eigene Komfortzone für einen Moment zu verlassen und sich zu öffnen.
Wenn du deine Gedanken klar äußerst, dann stehst du für dich selbst ein. Du erteilst dir selbst das Recht, dass deine Gedanken, Meinungen oder Wünsche es wert sind, geäußert zu werden. Das schafft Selbstvertrauen, denn du nimmst mit deiner Offenheit Einfluss auf das Verhalten der anderen: Sie haben erst jetzt die Chance, auf deine Gedanken und Wünsche zu reagieren. Du nimmst dadurch auch Einfluss auf die weitere Entwicklung der Situation und letztendlich auch auf dein Leben, denn mit jedem offen gesprochenen Wort erhöhst du dein Selbstbewusstsein und dein Selbstwertgefühl.
Wie du dein Selbstwertgefühl hochhältst, auch wenn deine offenen Worte auf Kritik stoßen, dazu bekommst du am Ende des Artikels noch ein paar wertvolle Gedanken von mir. Jetzt verrate ich dir aber erst einmal, wie du mehr Offenheit wagen kannst und deiner Angst oder Bequemlichkeit trotzt.
Offen sprechen: Angst und Bequemlichkeit überwinden
Du darfst Verständnis aufbringen: Für dich selbst. Für deine Unsicherheit, dich zu öffnen und deine Wünsche, Meinungen, Gedanken mit anderen zu teilen. Für deine Angst, kritisiert oder gar abgelehnt zu werden. Für dein Bedürfnis nach Sicherheit und Unverletzbarkeit. Für deinen Wunsch, deine Gedanken für dich zu behalten und sie weiter reifen zu lassen. Es bringt dich nicht weiter, einen inneren Kampf auszufechten und dich selbst zu kritisieren. Verschwende deine Energie nicht an dieser Stelle. Hab Verständnis für dich selbst.
Du darfst dir auch den Druck nehmen, in ein offenes Gespräch einzusteigen und dann auf jede Reaktion deines Gegenübers sofort eine Antwort parat haben zu müssen. Du darfst dir Bedenkzeit nehmen. Du hat das Recht, ein Thema auch an einem anderen Tag noch einmal aufzugreifen und das Gespräch dann fortzuführen. Dieses Recht darfst du dir nehmen. Du darfst sagen, dass du über etwas nachdenken musst. Du darfst sogar offen sagen, dass du unsicher bist, ob du deine Gedanken offen aussprechen willst. Ich finde es sehr stark, wenn man die eigenen Ängste selbst zum Thema macht – wenn es zur Situation passt.
Ziel eines offenen Gesprächs sollte der Meinungsaustausch oder die Klärung eines Konflikts oder einfach nur ein Informationsaustausch sein – in jedem Fall jedoch, ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen. Als gleichberechtigte Gesprächspartner, und nicht als Kampf ums Rechthaben oder Durchsetzen.
Wie kannst du die Angst, die dich aus Selbstschutz so oft davon zurückhält, offen über deine Gedanken zu sprechen, überwinden?
Indem du einem höheren Sinn bzw. höheren Werten folgst. Werten, die für dich wichtiger sind, als dich in deiner Komfortzone zu verstecken. Die wichtiger sind als deine Angst oder dein Sicherheitsgefühl. Oder deine Bequemlichkeit.
Du würdest doch zum Beispiel in kaltes Wasser springen, wenn du siehst, dass ein Kind gerettet werden muss. Dann ist der Wert, nämlich das Leben des Kindes, höher und wichtiger als deine Angst vor dem Sprung ins Wasser. Ebenso ist es mit dem, was für dich wichtig ist. Du kannst durch offene Worte vielleicht kurzfristig Anerkennung verlieren oder Kritik ernten. Aber langfristig gewinnst du an Selbstachtung, indem du deinen Werten folgst. Du erfährst Selbstwirksamkeit und Respekt und hilfst anderen, dich wirklich zu sehen und zu entscheiden, ob sie an deiner Seite stehen wollen oder auch nicht.
Höhere Werte sind zum Beispiel:
- Aufrichtigkeit (denn sie schafft Nähe, statt Distanz durch Zurückhaltung)
- Fairness (denn sie nimmt dem anderen die Verantwortung, Vermutungen anzustellen)
- Freundschaft (denn deine Freunde haben deine Offenheit verdient und stehen dir wohlwollend zur Seite – und wenn nicht hier offen, wo dann??)
- Selbstvertrauen (denn du gibst dir selbst das Recht, von anderen gesehen zu werden)
- Respekt (denn dein Gegenüber braucht dein Feedback ebenso wie du seins)
- Freundlichkeit (sprich aus, was dir gefällt, denn damit bewirkst du auch beim anderen eine positivere Grundstimmung)
- und ganz unterschiedliche Werte, die mit dem Inhalt deiner Gedanken zusammenhängen (Mein höherer Wert für diesen Artikel ist zum Beispiel, introvertierte Menschen zu inspirieren und eine neue Perspektive auf sich selbst anzubieten – dafür nehme ich meine Angst davor, dass meine Meinung vielleicht von einzelnen ausgelacht wird, in Kauf.)
Richte dein Handeln nach einem höheren Wert aus, dann spielen deine Angst und Unsicherheit nur noch eine untergeordnete Rolle! Finde deine persönlichen Werte, nach denen du ab sofort handeln willst. Welche fallen dir spontan ein?
Mit Kritik umgehen
Wenn du Kritik oder auch Zustimmung erfährst, dann bedeutet das in erster Linie eines: Du bist für andere sichtbarer geworden. Menschen bilden sich eine Meinung über dich oder deine Ansichten, sie beschäftigen sich mit deiner Botschaft. Auch wenn es zunächst beängstigend ist – es ist gut und wichtig, sich zu zeigen, wie ich oben bereits geschrieben habe. Es zeigt, dass du Einfluss nimmst, dass du etwas veränderst und bewirkst. Bei den anderen, aber auch bei dir selbst, denn du erkennst deine Selbstwirksamkeit und die Bedeutung, die du im Leben von anderen einnimmst.
Kritik und negative Botschaften wirken in unserem Gehirn viel stärker als positive Nachrichten. Wir denken mehr über sie nach und geben ihnen mehr Raum. Dadurch verzerrt sich aber auch unsere Wahrnehmung der Kritik: Wir bewerten sie viel höher als eine gleichwertige positive Nachricht. Darum ist es ganz wichtig, sich auch immer wieder auf die Zustimmung, die Unterstützung und positives Feedback von anderen zu fokussieren, um das Gleichgewicht wieder herzustellen und sich die Kritik nicht allzu sehr zu Herzen zu nehmen. Konzentriere dich ganz bewusst auf die Unterstützung, die du erfährst, und nicht auf die Kritik, die dich runterzieht.
Unsachliche, abwertende Kritik kommt meist von Menschen, die deine Situation nicht einschätzen können, die noch nicht an deiner Stelle standen oder deine Erfahrung nicht haben. Insgeheim sind sie vielleicht neidisch auf deine klare Haltung oder spüren ihre Angst und Ohnmacht in Bezug auf ihre eigene Offenheit. Angriff ist dann ihre Verteidigung vor sich selbst. Wenn du das erkennst, weißt du, was du von dieser Art von Kritik halten kannst.
Manche Menschen sind so festgefahren in ihren Denksystemen, dass sie alles blind kritisieren, was diesem Denksystem nicht entspricht. Da hilft auch kein sachliches Diskutieren – setze deine Energie dann lieber an anderen Stellen ein, wo du mehr erreichen kannst. Konstruktive Kritik kommt von Menschen, die deine Gedanken in den richtigen Kontext stellen können und dir helfen, zu lernen und dich weiterzuentwickeln. Sie wertet dich nicht ab, sondern unterstützt dich wohlwollend dabei, zu wachsen.
Am Ende des Lebens ist nicht wichtig, wie vielen Menschen du gefallen hast oder wie viele Konflikte du dir vom Hals gehalten hast, sondern ob du deine Botschaft in die Welt gebracht hast – egal wie groß oder klein sie auch sein mag. Am Ende ist es wichtig, ob du ehrlich zu dir selbst warst, deinem eigenen Weg gefolgt bist und dich eingebracht hast, zum Wohle von dir selbst und von anderen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen, mehr Offenheit zu wagen.
Willst du versuchen, ab sofort offener zu sein, deine Gedanken häufiger mitzuteilen und deine Wünsche zu äußern? Welchen höheren Werten willst du dabei folgen? Teile deine Gedanken dazu gerne mit uns in den Kommentaren – das wäre vielleicht dein erster Schritt zu mehr Offenheit, wenn du möchtest!
Alles Liebe
Lena
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