Das Thema Netzwerken oder Networking ist für Introvertierte ja so eine Sache. Small Talk, Kontakte regelmäßig pflegen – das sind nicht gerade die Dinge, die wir lieben. Ab und zu, okay – aber es kostet immer wieder Energie. Wir Intros haben meist nur wenige enge Freunde, einen übersichtlichen Bekanntenkreis und sind nicht ständig auf Kontakte und zwischenmenschlichen Austausch angewiesen. Wir kommen gut und gerne auch alleine mit uns klar – und wählen die sozialen Anlässe, an den wir teilnehmen wollen, sorgfältig aus.
Man könnte sagen, Introvertierte sind „sozial vorsichtig“.
Doch wir sollten den Tatsachen ins Auge sehen: gute soziale Kontakte sind wichtig, sogar für Introvertierte. Sie sind wichtig für unser Wohlbefinden, unsere Zufriedenheit und unsere Gesundheit, das wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen. Netzwerke sind das, was der Name schon sagt: Netze, die uns auffangen, wenn wir ein Problem haben, Hilfe brauchen, Geschäfte abwickeln müssen, Fragen klären und weiterkommen wollen. Impulse von außen sind auch, vielleicht sogar gerade für Intros wichtig, damit wir nicht zu sehr in unserer eigenen Gedankenwelt verloren gehen.
Welche Rolle spielen andere Menschen in deinen schönsten Erinnerungen? Wer hat dich unterstützt, als du etwas Neues in Angriff genommen hast? Wer war für dich da, als du in einer Krise stecktest? Du merkst, wie wichtig ein soziales Netzwerk für dich ist.
Wenn unser privates Netzwerk sehr klein ist, kann es schnell passieren, dass wir nicht die Hilfestellung finden, die wir brauchen. Wenn wir nur einen kleinen Freundeskreis haben, vielleicht nur einen wirklichen Freund bzw. Freundin: Was passiert, wenn dieser eine Freund irgendwann nicht mehr greifbar für uns ist, z. B. bei einem Umzug oder Jobwechsel? Die Lücke, die dann entsteht, ist riesig.
Du bist plötzlich allein, fühlst dich einsam, grübelst viel nach über deine Situation nach, weißt nicht, was du tun kannst, und fühlst dich dadurch noch schlechter. Keine gute Ausgangsbasis, um in die Welt hinaus zu gehen und neue Freundschaften zu schließen.
Darum ist Netzwerken für Introvertierte besonders im Privatleben wichtig! Ja, dafür musst du etwas tun. Dich aufraffen, etwas Neues ausprobieren, dich neuen Gruppen anschließen. Deine Komfortzone verlassen, heißt es oft. Ich würde lieber sagen, deine Komfortzone Stück für Stück ausdehnen.
Wie das gehen kann, zeige ich dir sechs Schritten. Keine Angst, sie sind wirklich leicht und einfach. Wenn du den ersten Schritt beherzigst, ist das Schlimmste schon geschafft!
Erste Schritte: Erfolgreiches Netzwerken für Introvertierte
1. Das richtige Mindset
Damit dein Netzwerken erfolgreich ist und du dich damit wohlfühlst, neue Kontakte zu knüpfen, ist eine positive innere Einstellung dazu wichtig. Nicht nur wichtig, es ist sogar eine Grundvoraussetzung. Deine Gedanken sind das, was du ausstrahlst. Wenn du denkst: „Ich sollte mich auf der Veranstaltung sehen lassen, aber eigentlich will ich mit niemandem reden und lieber zuhause bleiben“, dann wird das nix.
Hier ein paar Vorschläge von mir für das richtige Mindset:
„Ich bin bereit, neue Leute kennenzulernen. Ich bin offen für neue Erfahrungen. Ich probiere aus und kann mich jederzeit wieder zurückziehen, wenn mir danach ist. Ich erwarte nicht zuviel, sondern lasse alles Neue auf mich zukommen. Wenn Erfahrungen nicht zu mir passen, gehe ich weiter. Ich freue mich auf interessante Begegnungen.“
Finde deine eigenen Worte für positive Affirmationen. Damit sie wirken, musst du sie täglich wiederholen, bis du sie verinnerlicht hast und sie ganz selbstverständlich für dich geworden sind.
2. Netzwerken in Sozialen Medien
Die sozialen Netzwerke wie Facebook & Co. sind für mich Fluch und Segen zugleich. Beim Thema Netzwerken sind sie ein Segen für Introvertierte. Es war noch nie so einfach, Menschen und Gruppen zu finden, die genauso denken und fühlen wie du. Der digitale Austausch mit Gleichgesinnten ist manchmal echter Balsam für die Seele, wenn du ihn sonst im Leben zu selten findest. Du kannst selbst bestimmen, wie viel du auf den Plattformen von dir preisgeben möchtest, und dich jederzeit aus ihnen zurückziehen.
Nach und nach kannst du in den Sozialen Medien Kontakte zu Menschen knüpfen, mit denen du dich intensiver austauschen möchtest (und das auch noch schriftlich und von zuhause aus, jippiee! 😉).
Auch wenn die Kontakte nur digital stattfinden – es ist leicht, sich hier auszutauschen, Antworten auf Fragen zu bekommen und sich in fremden Gruppen einzubringen. Sehen wir es mal als „Übungsplattform“ für die nächsten Schritte an! Und nicht selten kommt es in den Sozialen Medien zu Kontakten, die sich dann zu realen Kontakten weiterentwickeln. Womit wir schon bei Schritt 3 wären:
3. Probiere etwas Neues aus!
Netzwerken geht nicht, ohne neue Menschen kennenzulernen. Jetzt ist es an der Zeit, deine Welt zu erweitern, deine Komfortzone auszudehnen! Suche nach Gelegenheiten, Anlässen, Gruppen usw., bei denen du mit (noch) fremden Menschen in Kontakt kommen kannst. Das kann alles Mögliche sein:
- Sportkurse
- Veranstaltungen oder Gruppen im Kulturverein
- Ein Kurs an der Volkshochschule
- Örtliche Vereine
- Weiterbildung bzw. Fortbildungsseminare
- Branchenevent
- Ehrenamtliche Aufgabe in einer sozialen Einrichtung, Naturschutzgruppe…
- Usw.
Du solltest dir etwas aussuchen, was dich vom angebotenen Thema her interessiert. Wenn du richtig Lust auf die Veranstaltung/den Kurs/die Tätigkeit hast und neugierig bist, wird es dir nicht schwerfallen, dein neues Projekt in Angriff zu nehmen. Schritt 4 folgt dann mühelos und automatisch!
4. Komme mit anderen ins Gespräch
Das ist der Schritt, der uns Introvertierten so schwerfällt. Small Talk? Nicht unser Ding. Wenn dir oft gesagt wurde, dass du zu still bist und mehr aus dir rauskommen solltest, hat sich im Laufe der Zeit ein hinderlicher Gedanke festgesetzt: Das Gefühl, von anderen nicht als die Person akzeptiert zu werden, die man ist. Dieses Gefühl flüstert dir ein: „Nimm lieber keinen Kontakt auf, du wirst von den anderen nicht akzeptiert.“
Kein Wunder also, wenn du als Intro gut auf den einen oder anderen sozialen Kontakt verzichten kannst. Die gute Nachricht ist aber: Wenn du dir diesen Vorgängen in deinem Kopf bewusst bist, kannst du sie erkennen und neu entscheiden, ob du diesen Gedanken glaubst oder nicht. Je öfter dir das gelingt, desto leichter wird es werden.
Aber da du ja schon die Schritte eins bis drei erfolgreich gemeistert hast, wird Schritt vier keine riesengroße Hürde mehr für dich sein. Du wirst es schaffen, deine Zurückhaltung zu überwinden.
Beobachte die Menschen in deiner neuen Gruppe in Ruhe und suche dir eine Person aus, die dir sympathisch ist. Idealerweise hast du schon Gemeinsamkeiten mit ihr entdeckt! Dein Ziel ist es, eine erste, ganz lockere Verbindung aufzubauen.
Jetzt wird es ernst: Tief Luft holen (ausatmen nicht vergessen!) und deine Zielperson freundlich ansprechen! Du könntest zum Beispiel, je nach Situation,
- um Unterstützung oder Hilfestellung bitten,
- fragen, ob er bzw. sie dir etwas erklären kann,
- fragen, wie lange er bzw. sie schon dabei ist,
- fragen, welche Erfahrungen er bzw. sie gemacht hat,
- nach gemeinsamen Bekannten/Kollegen etc. fragen,
- usw.
Geschafft! Gratuliere, du hast einen neuen Kontakt geknüpft. (Jeder Extro, der jetzt lacht, hat keinen Schimmer davon, wie wenig Übung Introvertierte darin manchmal haben!) Ich wette, die angesprochene Person hat sich über dein Interesse an ihr gefreut, stimmt´s?
Halte im Alltag häufiger nach Menschen Ausschau, bei denen du Gemeinsamkeiten mit dir entdeckst. Du wirst merken, dass es mehr davon gibt, als du glaubst und früher wahrgenommen hast. Mache dir bewusst, dass sie ähnlich denken wie du und womöglich genauso „sozial vorsichtig“ unterwegs sind! Das hilft zusätzlich, noch mutiger zu werden.
Im nächsten Schritt baust du diesen ersten Kontakt aus. Es ist leichter, als du denkst!
5. Vertiefe deinen neuen Kontakt
Du kannst den lockeren, neu geknüpften Kontakt vertiefen, indem du zeigst, dass du ähnlich wie die andere Person denkst und fühlst. Du bist ein Intro, d.h. dass du dich wahrscheinlich gut in andere Menschen hineinfühlen kannst. Zeige das an dieser Stelle!
Du kannst z.B. eine freundliche Bemerkung über deinen Ansprechpartner machen (aber werde nicht zu persönlich, dafür kennt ihr euch noch nicht gut genug). Z.B.: „Über das, was du vorhin gesagt hast, denke ich genauso.“ Oder du sagst etwas wie z.B.: „Kannst du dir das auch so schlecht merken wie ich?“, „Ich würde das auch gerne so gut können wie du“, „Was gefällt dir an dieser Tätigkeit besonders?“ usw. Dir fällt je nach Situation etwas Passendes ein.
Und wenn dir doch nichts einfällt? Dann nutze die Spiegeln-Technik: Du fragst: „Du meinst also, dass…?“ oder „Habe ich richtig verstanden, dass…?“. Dabei wiederholst du – nicht Wort für Wort, sondern sinngemäß – das, was der andere gesagt hat. So kannst du übrigens jedes Gespräch leicht aufrechterhalten.
Als zurückhaltender und sensibler Mensch bringst du ein aufmerksames Wesen mit. Diese Stärke kannst du jetzt wunderbar einsetzen: Indem du gute Fragen stellst und dann aufmerksam zuhörst. Damit gibst du deinem Gegenüber das Gefühl, interessant und wichtig zu sein, und hast automatisch seine Sympathie auf deiner Seite. Und das, ohne selbst viel reden oder von dir preisgeben zu müssen!
Das Gespräch bleibt für beide Seiten unverbindlich. Jeder kann es jederzeit wieder beenden. Aber du wirst erstaunt sein, wie leicht sich aus kleinen Bemerkungen interessante, tiefergehende Gespräche entwickeln. Und schon baut sich ein erstes gegenseitiges Vertrauen auf: Die Basis für eure Beziehung und ein neuer Kontakt in deinem Netzwerk.
Vielleicht merkst du aber auch, dass der neue Kontakt doch nicht so dein Fall ist und du ihn nicht vertiefen möchtest. Dann ziehst du dich einfach mit einer freundlichen Bemerkung, die das Gespräch beendet, wieder zurück. Das wird dir dein Gesprächspartner nicht verübeln (vielleicht geht es ihm ähnlich und er ist ganz froh, dass du das Gespräch nicht fortsetzen möchtest).
Eine gute Idee ist es, eine kleine Aufgabe in deiner neuen Gruppe zu übernehmen. Du stiftest einen Nutzen für deine Gruppe, wirst Ansprechpartner für deine spezielle Aufgabe und sammelst so automatisch weitere Kontakte zu den Gruppenmitgliedern. Darüber hinaus tut es dir selbst gut, anderen Menschen zu helfen: Das Belohnungszentrum in unserem Gehirn reagiert genauso, als wenn du selbst etwas bekommst, und belohnt dich mit dem gleichen guten Gefühl.
Jedes kleine Kontakt-Erfolgserlebnis stärkt dich, dein Selbstbewusstsein und deinen Mut. Mit jeder neuen Begegnung wird es leichter für dich, einen Kontakt daraus aufzubauen.
Im letzten Schritt kannst du deine neue Stärke im Netzwerken noch weiter trainieren:
6. Bedanke dich im Alltag so oft du kannst
Deinen Perfektionismus kannst du dir für deine Steuererklärung, deine Abschlussarbeit oder dein Herzensprojekt aufheben. In zwischenmenschlichen Beziehungen ist er jedoch hinderlich, denn niemand von uns ist perfekt – nicht mal dein neuer Gesprächspartner.
Kleine Unperfektheiten gehören im Miteinander dazu. Sei also ruhig etwas großzügig, wenn du eine persönliche Bemerkung deines Gegenübers nicht so passend findest (solange es wirklich nur Kleinigkeiten sind, die meistens sowieso nicht so gemeint waren wie sie bei dir angekommen sind). Wir neigen schnell dazu, Bemerkungen überzubewerten. Darum: Entspannt bleiben und nicht weiter darüber nachgrübeln!
Das tägliche Danke-Sagen ist eine wunderbare Übung, freundliche Worte mit unseren Mitmenschen zu wechseln, und gleichzeitig unser eigenes Denken positiv auszurichten (man kann sich nämlich nicht schlecht fühlen und sich gleichzeitig für etwas bedanken – das funktioniert nicht).
Bedanke dich bei der Verkäuferin im Supermarkt, beim Postboten, Kollegen, jemandem der dir die Tür aufhält – täglich und so oft es geht. Es soll kein schnell dahergesagtes „Danke“ sein, sondern ein richtiges, ehrlich gemeintes Danke mit Blickkontakt und einem Lächeln im Gesicht. Probiere den Unterschied aus und lass dich von den Reaktionen darauf überraschen!
Mit der Zeit wird deine Zurückhaltung im Kontakt mit fremden Menschen seltener werden und es wird dir immer leichter fallen, neue Kontakte zu knüpfen.
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Netzwerken kann man lernen – gerade als Introvertierter
Die beschriebenen sechs Schritte sind sehr wirksam, einfach umzusetzen und sollten dir nicht mehr schwerfallen. Am wichtigsten ist Schritt 1 – mit der richtigen Einstellung läuft der Rest von allein.
„Aber es kostet mich immer so viel Energie, auf andere Leute zuzugehen…“ – Das Argument zählt nicht! NICHT zu netzwerken kostet dich nämlich ebenso viel Energie, wenn nicht sogar mehr. Denke nur mal an die Energie, die du brauchst, wenn du nach Hilfe bei einem Problem suchen musst, Arbeit alleine erledigst ohne von Kollegen unterstützt zu werden, Sorgen hast und kein Freund zum Reden greifbar ist, … Mit einem guten Netzwerk aus Familie, Freunden, Bekannten und Kollegen öffnen sich in allen Lebensbereichen viele Türen.
Alles, was du trainierst, wird mit der Zeit leichter und weniger energieraubend werden. Das gilt auch fürs Netzwerken. Introvertiert zu sein heißt nicht, dass du das nicht lernen kannst. Es heißt nur, dass DU entscheidest, wann, wo und wie oft du es tust!
Als Intro bist du schon immer ein guter Netzwerker gewesen – mache dir das bewusst, indem du nochmal die Stärken von Introvertierten nachliest. Du kannst dich gut auf eine Person konzentrieren und gut zuhören – beste Voraussetzungen also, um das Vertrauen von Menschen zu gewinnen. Ich betone es darum in meinen Artikeln immer wieder:
Es ist so wichtig, dass wir Intros unsere Stärken kennen und lernen, sie zu nutzen.
Bleibe geduldig mit dir selbst und erwarte keine Wunder. Aber Geduld ist bestimmt auch eine Intro-Stärke von dir – also, worauf wartest du noch? Viel Spaß beim Netzwerken!
Berichte mir doch davon, ob dir die sechs Schritte zum Netzwerken geholfen haben und wie deine Erfahrungen sind. Hast du weitere Tipps? Schreibe mir gerne ein Kommentar!
Alles Liebe
Lena
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