Introvertierte Menschen wie du und ich haben oft damit zu kämpfen, dass sie Reize von außen, die sie über ihre Sinne aufnehmen, intensiver und länger verarbeiten und auch noch generell mehr von außen aufnehmen als extravertierte Menschen (warum das Gehirn von Introvertierten so arbeitet, kannst du in diesem Artikel nachlesen: Warum Intros anders ticken als Extros).
Das viele Verarbeiten im Kopf ermüdet uns schnell. Darum brauchen wir öfter eine Auszeit, ziehen uns aus der Welt zurück. Wir brauchen einfach Zeit, in der wir keinen weiteren Input kriegen, um wieder Ordnung und Übersicht im Kopf zu schaffen.
Ich bin nicht nur introvertiert, sondern auch noch hochsensibel, und reagiere daher besonders empfindlich auf Reize. Wie ein Sensor, der ganz fein eingestellt ist und auf kleinste Signale hin ausschlägt.
Besonders sensibel reagiere ich auf Lautstärke. Ich habe es schon als Teenager nicht lange auf Partys mit aggressiver Musik und hohem Lärmpegel ausgehalten (geblieben und durchgequält habe ich mich manchmal trotzdem, um „dazuzugehören“). Heute tue ich mir das gar nicht erst an. Wenn ich Zeit für mich habe und allein bin, ist es meistens sogar ganz still im Haus. Das ist oft eine Wohltat nach dem Alltagslärm da draußen. Manchmal höre ich auch leise Musik, die meiner Stimmung entspricht. Oder ich mache einen langen Spaziergang in der Heide. Das schenkt mir viel Energie, weil ich dort außer sanften Naturgeräuschen auch viel Stille finde.
Warum die Stille gut für deine Gesundheit ist, darüber erfährst du in diesem Artikel mehr.
Aber warum ertrage ich den Lärm einer Party mit vielen Menschen nicht, während bestimmte Musik meine Stimmung hebt und mir Energie schenkt? Bei gleicher Lautstärke?
Ich wollte wissen, warum Geräusche so unterschiedliche Wirkungen haben können, und habe mich intensiver mit unserem Gehör beschäftigt. Es ist tatsächlich ein ganz besonderer Sinn!
Der Hörsinn: ein ganz besonderer Sinn
Dein Gehör ist schon etwas Besonderes. Denn es ist der erste sogenannte Fernsinn, der sich beim Embryo herausbildet. (Auszug aus Wikipedia zum Stichwort „Sinn“: Die große Bedeutung der Fernsinne (Hörsinn und Sehsinn) zeigt sich dadurch, dass unser Bewusstsein nicht „auf den Augen sieht“, sondern dass der Sinneseindruck des Sehens vom Gehirn aus dem Körper heraus projiziert wird, bei den Nahsinnen (alle übrigen Sinne) hingegen wird der Sinneseindruck direkt mit dem Organ verknüpft „man schmeckt auf der Zunge“ oder „fühlt mit der Haut“.) Das Baby nimmt bereits im Bauch den Herzschlag der Mutter als erste Töne wahr.
Geräusche, die vom Ohr empfangen werden, werden in elektrische Nervenimpulse umgewandelt, gelangen zum Hirnstamm und werden von dort aus weitergeleitet. Dabei werden die Töne geordnet, bewertet und gefiltert, ganz grob gesagt in wichtig oder unwichtig, gefährlich oder ungefährlich. Auch die Richtung und Entfernung der Töne werden analysiert. Nur, was unser Gehirn als wichtig einstuft, landet am Ende in deinem Bewusstsein, wird also von dir „bewusst“ gehört: Du kannst Tonhöhe, Lautstärke oder Harmonien wahrnehmen.
Wusstest du, dass wir bei gesunden Ohren mit dem rechten Ohr besser hören als mit dem linken? Alles, was vom rechten Ohr ins Gehirn geleitet wird, landet in der linken Hirnhälfte, wo die Sprache und das Erinnerungsvermögen untergebracht sind. Hier können die Impulse des Hörsinns besser verarbeitet werden.
Aber die Analyse und Einordnung von Geräuschen durch das Gehirn geht noch weiter. Es verknüpft das Gehörte mit den Eindrücken anderer Sinnesorgane (z.B. Bilder) und den ausgelösten Emotionen. Außerdem vergleicht es diese Verknüpfungen mit deinen Erfahrungen aus der Vergangenheit, die bereits abgespeichert sind und aktiviert sie. Wenn du den Anfang einer bekannten Melodie hörst, kannst du sofort mitsingen – die gespeicherte Erinnerung wurde aktiviert. Gleichzeitig erlebst du die gleichen Emotionen, die ebenfalls mit dieser Erinnerung verknüpft sind.
Darum können wir mit Musik unsere Stimmung und Gefühle so gut steuern, denn die Verknüpfungen des Hörsinns mit unseren Emotionen funktioniert besonders gut.
Da das Gehirn die verschiedenen Sinne miteinander kombiniert, um sie einordnen zu können, kann das gleiche Geräusch in verschiedenen Verknüpfungen unseres Gehirns vorkommen. Je nach Situation kann das gleiche Geräusch mal als angenehm, mal als unangenehm empfunden werden. Zum Beispiel knackendes Holz: Im Kaminofen verbinden wir es mit wohliger Wärme, nachts im Wald löst es eher Angstgefühle oder zumindest erhöhte Aufmerksamkeit in uns aus.
Von Kindesbeinen an können Geräusche stärkste emotionale Reaktionen in uns hervorrufen, von Trauer bis zu höchsten Glücksgefühlen. Durch manche Musik werden wir zutiefst berührt, wird unser Herz und unsere Seele berührt. Musik beeinflusst sogar unsere Körperfunktionen wie Blutdruck, Atem- und Herzfrequenz und die Ausschüttung von Glückshormonen. Oft sogar viel intensiver als Bilder, die unser Sehsinn wahrnimmt.
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Angenehme und unangenehme Töne
Warum empfinden wir eigentlich manche Geräusche als angenehm und stimulierend, während wir andere kaum ertragen können? Allein an der Lautstärke kann es nicht liegen. Es gibt in jeder Lautstärke angenehme und unangenehme Töne.
Lärm, also Geräusche, die wir als unangenehm empfinden, sind unstrukturierte Töne, die keine Harmonien bilden. Unser Gehirn kann diese Geräusche schlechter verarbeiten und ist schnell mit ihnen überfordert. Wenn wir konzentriert arbeiten wollen, stört uns (unstrukturiertes) Gequatsche im Hintergrund – angenehme (harmonische) Musik kann dagegen sogar die Konzentration fördern.
Wir wissen alle, dass Lärm uns sogar dauerhaft krank machen kann. Unser Körper reagiert auf eine Überlastung der Ohren durch Dauerlärm unter anderem mit Bluthochdruck, Schlafstörungen und Nervosität.
Das Problem ist, dass die Ohren auf Dauerempfang eingestellt sind. Wir können den Sinn nicht selber „abschalten“, so wie wir zum Beispiel die Augen schließen können. Dafür brauchen wir Hilfsmittel wie Ohrstöpsel oder Kopfhörer. Da wir diese aber nicht jederzeit nutzen können, sind wir einer Dauerbeschallung ausgesetzt – was uns Intros durch die intensivere Reizverarbeitung im Gehirn schnell überfordert und ermüdet.
Auf wohlklingende, harmonische Töne reagiert unser Körper dagegen sehr positiv, sie sind sogar gesundheitsförderlich. So wird zum Beispiel die Neuroplastizität angeregt, also die Fähigkeit des Gehirns, lebenslang seine Strukturen zu verändern und neue Nervenverknüpfungen zu bilden. Mit Musiktherapie können sogar Schmerzen gelindert werden, weil positive Emotionen aktiviert werden.
Dein persönlicher Musik-Mix
Gesundheitlich besonders wertvoll ist Abwechslung. Man hat herausgefunden, dass die tägliche Anregung von verschiedenen Stimmungen durch Musik hilft, diese leichter und schneller zu verarbeiten. Stelle dir deinen täglichen Musik-Mix so zusammen, dass du alle fünf Stimmungsfelder abdeckst:
- Erhebende Musik: Du löst Glücksgefühle aus
- Entspannende Musik: Du findest leichter zur Ruhe
- Traurige Musik: Du überwindest Trauer und Enttäuschung leichter
- Motivierende Musik: Du kannst dich besser konzentrieren
- Erregende Musik: Du kannst besser mit Wut umgehen
Das war mein kleiner Ausflug in die Welt unseres Hörsinns. Je besser wir ihn kennen und seine Funktionen verstehen, desto besser können wir auch unsere Reaktionen auf Geräusche einordnen und – bestenfalls – steuern. Ich habe für mich herausgefunden, dass ich Stille sehr genießen kann und regelmäßig brauche, um mich zu erholen. Dieselbe Erholung von Bildern, also eine Pause für meinen Sehsinn, brauche ich nicht. Daran sehe ich, wie viel Kapazität in meinem Gehirn für Geräusche gebraucht wird – erstaunlich, wo wir doch so auf´s Sehen fixiert sind. Ein Grund mehr für mich, mich noch mehr mit angenehmen, anregenden Tönen und passender Musik zu beschäftigen und sie als Energiequelle für meinen introvertierten Energiehaushalt zu nutzen!
Meine Top-Ten-Lieblingsgeräusche
In diesem kurzen Video lernst du meine Lieblingsgeräusche kennen. Was meinst du, steht auf Platz 1? Es ist gar kein leises Geräusch!
Wie ist das bei dir? Reagierst du auch so sensibel auf Geräusche wie ich? Verrate mir doch deine Lieblingsgeräusche, die dir Energie schenken, und teile sie mit uns allen in den Kommentaren!
Alles Liebe
Lena
Zum Weiterlesen:
Frank
Moin Lena,
vielen Dank für diesen Artikel. So vieles darin kommt mir bekannt vor. Beispielsweise, dass Gequatsche die Konzentration stört. Im Großraumbüro arbeiten zu müssen bei Verbot von Kopfhörern u.ä. – diese Zeit war ein Horror und hat Kraft gekostet. Mich lenken auch einzelne, laute Stimmen sehr stark ab und ziehen die Konzentration an. Dagegen habe ich jedoch durch Meditation ein Gegenmittel kennengelernt: wenn ich merke, dass ein „Lautsprecher“ im Nachbarbüro meine Konzentration anzieht, weite ich meine Wahrnehmung. Ich öffne sogar die Sinne – und bekomme dadurch den Fokus weg von dem Lautsprecher.
Deinen Tipp zur Musik finde ich hilfreich. Als Musikliebhaber nutze ich die Wirkung von Musik (hörend und selbst musizierend) immer wieder zum Kraftschöpfen aus.
Alles Gute
Frank
Lena
Moin lieber Frank,
danke, dass du deine Erfahrungen hier weitergibst.
Ich habe auch durch Meditation viel Gelassenheit in mir entwickeln können. Die „Technik“, die Sinne zu erweitern bzw. mehr Raum zu geben, kenne ich auch. Sie braucht allerdings auch etwas Übung, so ganz von selbst will es nicht klappen – jedenfalls bei mir.
Schön von dir zu hören und liebe Grüße!
Lena